Buchrezension

Gobineau und der Rassismus. Eine Kritik der anthropologischen Geschichtstheorie von E. J. Young. Archiv für Vergleichende Kulturwissenschaft. Band 4 herausgegeben von Anton Hilckman. Meisenheim am Glan. Verlag Anton Hain, 1968. 346 Seiten. 4 Teile.

Zentrale Rolle im vorliegenden Buch stellt die Geschichtstheorie von A. Gobineau dar. Young versucht die anthropologisch-rassenbiologische Geschichtsauffassung Gobineaus und ihre Stellung in Gesamtbild der geschichtsphilosophischen Systeme abzugrenzen und einzuordnen. In der Einleitung wird allgemein auf die Entwicklung dieser Geschichtsauslegung eingegangen sowie unterschiedliche Zugangsweisen abgesteckt.

Der Hauptteil des Buches ist in zwei Bereiche gegliedert. Teil B befasst sich mit der Rasse in der Geschichtsschreibung Frankreichs. Hinführend geht der Autor erst auf den Begriff „Rasse“ („race“) ein und zeigt die anfänglichen Schwierigkeiten der Verwendung dessen im 17. und 18. Jahrhundert. Im weiteren Verlauf wird der Rassebegriff in einzelnen Werken vor Veröffentlichung von Gobineaus’ Rassentheorie untersucht (Chauteaubriand, Augustin Thierry, Amédée Thierry, Capefigue, A.M. Ampère, J.J. Ampère, Guizot, Mignet, Thiers, Michelet, Martin, Durjuy, Guérard, Gérard, Littré, Montalembert).
Nachdem die Vorläufer diskutiert sind, folgt eine intensive Analyse der „ersten universalen Geschichtstheorie auf rein anthropologisch-rassenbiologischer Grundlage“. Young zeigt mögliche direkte und indirekte Verbindungen und eventuelle persönliche Zusammentreffen von Gobineau mit seinen Vorläufern auf, analysiert zentrale Aussagen des Essais, fasst diese schließlich zusammen und unterzieht sie einer intensiven Kritik. Des Weiteren geht er auf die Schreibtätigkeit Gobineaus als Dichter ein, setzt sein Werk in Zusammenhang mit der Kritik seiner Zeitgenossen und zeigt seinen Status in der Gesellschaft auf. Young arbeitet klar die nicht-antisemitische Stellung Gobineaus heraus.
Im Anschluss untersucht der Autor die Geschichtsschreibung nach der Veröffentlichung des Essais. Die einzelnen Werke werden auf implizierte rassenbiologische Statements geprüft und in Beziehung zu Gobineaus Aussagen gebracht. Der Einfluss des Werkes auf die vorgestellten Autoren wird genau betrachtet. Untersuchte Geschichtsschreiber sind: Renan, Taine, de Coulanges, Belloguet, Boisjoslin, Burnouf, Jubainville, Letourneau, Finot, de Tourville, Xénopol, de Leusse und de Lapouge.

Zweites Hauptthema des Buches ist Gobineaus’ Verbindung zu Deutschland. In seinem Essai streicht Gobineau sehr stark die Überlegenheit des Ariers vor allen anderen Rassen heraus. Diese Theorie wurde nicht nur in Nazideutschland übernommen.
Young zeigt diese Verbindung durch einen groben Umriss der ersten Begegnungen mit Richard Wagner auf. Diese ermöglichte Gobineau eine Verbindung zum Bayreuther Kreis und somit Veröffentlichung in den Bayreuther Blättern. Nach Gobineaus’ und Wagner’s Tod wäre die Idee des Essais beinahe in Vergessenheit geraten, wenn sich nicht Ludwig Schemann dieser angenommen hätte. Young zeigt die Auseinandersetzung Schemanns, welche später zur Gründung der Gobinau-Gesellschaft führte.
Weiters beschreibt der Autor das Verhältnis von Gobineau und Nietzsche, welches niemals als persönliches festgemacht werden konnte, sowie seinen Einfluss auf Ammon, Woltmann, Schallmeyer. Young wendet sich dann Hitler, Rosenberg und Günther zu und untersucht den Stellenwert der Rasse in der nationalsozialistischen Geschichtsauffassung. Der Autor versucht den Konnex deren Theorien zu Gobineau herzustellen. Er versucht herauszufiltern, in wie fern Gobinau für den Rassenwahn im Nationalsozialismus mitverantwortlich gemacht werden kann.

Im vierten Teil des Buches „Zusammenfassung und Schluss“ stellt Young noch einmal kritisch die zentralen Elemente seiner Arbeit zusammen: Rassencharakter und Geschichte, die wissenschaftliche Fragwürdigkeit der anthropologischen Geschichtstheorie, Begründung des Kulturunterganges, Folgen der Rassenmischung, Rasse & Nation, Rasse & Politik, Wissenschaftlichkeit von Gobineaus’ Rassentheorie, deren sozialer Ursprung und Folgen, Verhältnis von rassenbiologischer Geschichtsauffassung und Rassismus und letztendlich der Verantwortung Gobineaus.
Youngs Fazit ist, dass Gobineau nicht gänzlich von einer Verantwortlichkeit für die späteren Entwicklungen enthoben werden kann; es kann ihm jedoch kein nationalistischer Rassegedanke zugesprochen werden. Somit stellt Gobineau „nur“ die Basis für spätere national(sozial)istisches Gedankengut dar.

Das Buch spannt einen breiten Bogen über Geschichtsauffassungen rund um Gobineau. Basis, Entwicklung und Folgen werden gut angestoßen. Es ist als Basislektüre für das Themengebiet Gobineau bestens geeignet. Das Lesen ist allerdings etwas schwierig, da Young sehr häufig aus französischen Originaltexten zitiert ohne Übersetzungen zur Verfügung zu stellen. Ich würde deshalb dieses Buch nur der französischen Sprache fähigen Lesern empfehlen. Leider sind in dieser Ausgabe einige Angaben im Inhaltsverzeichnis falsch, was die exakte Auffinden von Kapiteln erschwert.
Schmale - 10. Dez, 14:16

Schmale

Ich werde einige Aspekte Ihrer Rezension heute im KU aufgreifen. Insgesamt gut angelegt, manchmal aber nicht aussagekräftig. Titel ist falsch zitiert!

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